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Die Kommentare sind nicht Bestandteil des Aufrufs, sondern geben persönliche Präferenzen wieder. Daher sollten sie nicht im Wege stehen, den allgemeiner gehaltenen Aufruf zu unterstützen, auch wenn die speziellen Ansichten hier nicht geteilt werden.

Eine Lanze für die Quote

15.01.2016

Ein Zankapfel der Geschlechterdebatten ist die Frauenquote für höhre Führungsebenen und das Topmanagement. Für die einen sind Quoten das Non-plus-ultra der Gleichberechtigung, für andere genau deren schlimmster Feind. Beide Seiten haben durchaus sinnvolle Argumente und das ist an sich nicht schlimm, denn Gerechtigkeit kennt keinen objektiven Maßstab und ist immer auch Aushandlung zwischen Subjekten und ihren ureigenen Wertvorstellungen.

Die eine Seite argumentiert damit, dass Gleichberechtigung nicht bei Gewährung von Rechten stehen bleiben kann, sondern sich auch in einer diese widerspiegelnden sozialen Wirklichkeit niederschlagen muss. Sonst stünde sie nur auf dem Papier im Gesetzbuch, während reelle Hürden de facto den Willen des Gesetzgebers ad absurdum führten. So gesehen seien Quoten ein probates Mittel, diese Hürden auszuhebeln, ohne sich mit diesen umständlich im Einzelnen befassen zu müssen. Manche gehen soweit, mit Quoten verkrustete Strukturen eines angeblichen Patriachats aufbrechen zu wollen.

Die andere Seite stört sich vor allem an der Verletzung des Leistungsprinzips und angeblicher Diskriminierung der nicht Bevorzugten. Das Leistungsprinzip sei ein nicht minder wertvolles Gerechtigkeitsideal. Quotenlösungen, sofern diese Männern Jobs vorenthalten, selbst wenn sich keine geeigneten Frauen bewerben, seien kaum verschleierte Männerdiskriminierung. Auch träfe diese zu, falls Quoten mit den Vorzügen der Frauen begründet werden, die es einzubringen gilt, weil damit umgekehrt pauschal Männern Defizite zugeschoben würden. Das undifferenzierte Unterstellen patriachalischer Privilegien fällt auch darunter.

Vom Prinzip her kann ich jeden Punkt wenigstens stückweit nachvollziehen. Es liegt eine klare Kollision zwischen Rücksichtnahme auf Hürden und Leistungsprinzip (das freilich Leistungshemmnise ausblendet) vor, beides Formen der relativen Gerechtigkeit. Jeweils droht Diskriminierung, wird zu wenig darauf geachtet oder der Bogen überspannt. Eine solche Kollision kann man nicht logisch zufriedenstellend lösen, es bedarf wie in vielen Gerechtigkeitsfragen des Findens der Verhältnismäßigkeit.

Und da finde ich, ist eine spezielle Quote, die an sich ja ein Festlegen erfordert, gerechtfertigt. Ausschlaggebend ist für mich der Zweck der Hürden- und Hemmnisbeseitigung. Und obwohl ich alles andere als ein Freund der Patriachat-Theorie bin, finde ich in deren allgemeineren Interpretation das Argumentarium. Es ist schlichtweg nicht wünschenswert dass eine wie auch immer entstehende „Geschlechterapartheid“ besteht, sodass das Arbeitsleben je nach Branche einseitig von Geschlechtern dominiert wird. Dies ist natürlich eine rein subjektive Wertung, aber wie bereits gesagt, ist Gerechtigkeit nie rein objektiv, sondern an Wertvorstellungen von Subjekten gebunden.

In Konsequenz kann die Quote nicht einseitig sein, soll nicht nur einem möglichen Patriachat vorgebeugt werden. Denn Gerechtigkeit ist immer universell frei nach dem Gleichheitssatz. So wäre z. B. eine Quote, die jeweils mindestens 30 % jeden Gechlechts vorsieht, ausgewogen und der Rest wäre zufällig zu besetzen. Freilich kann das Leistungsprinzip nicht völlig außerachtgelassen werden, weil deren Verletzung bisweilen als starke Ungerechtigkeit empfunden wird und Leistung natürlich untebehrlich für Geschäftserfolg ist. Mit nicht allzu hoch und beidseitig angesetzten Quoten erscheint die einseitige Bevorzugung bei der einen Quote, sobald die andere erfüllt ist, bei gleicher Eignung als Lösung vertretbar.

Nicht hinnehmbar wäre alledings, dass bei Fehlen eines zu bevorzugenden Kandidaten automatisch dem anderen eine Absage beschieden wird. Das ist in der Tat eine nicht hinnehmbare Benachteiligung. Etwaige temporäre Missverhältnisse müssten sodann in Kauf genommen werden. Unumwunden verweist dies auf die Notwendigkeit, im Vorfeld der Quotenanwendung Fördermaßnahmen zu etablieren, um einen größeren Pool potentieller Bewerber zu haben. Dann müssen die Areize erhöht und Hemmnisse abgebaut  (z. B. Schnupperkurse o. ä.), nicht aber die unmittelbaren fachspezifischen Anforderungen gesenkt (etwa geringere Prüfungshürden) werden.

Leitkultur – ein tückischer Begriff und Alternativen

08.01.2016

Je mehr sich die Realität in Deutschland multikulturell gestaltet, desto mehr wird die Diskussion um die „Leitkultur“ angefacht. Mal wird diese mit christlich-abendländischer Tradition, mal mit Werten der Aufklärung und zuletzt neutral mit dem Grundgesetz bzw. dem hiesigen Normensystem oder einem Mix aus alldem in Verbindung gebracht. Stets geht es um eine gemeinsame Wertebasis, die bei allen Vorzügen der Pluralität für ein friedvolles Zusammenleben notwendig ist. Zwei Fehler werden dabei m. E. begangen. Erstens ist der Begriff Leitkultur unglücklich gewählt, zweitens erfolgt die Konkretisierung jeweils ohne ein überzeugendes integratives Konzept.

Leitkultur läuft dem Begriff nach unglücklicherweise auf eine Bevormundung hinaus. Darin steckt ja das Leiten, also das mentorhafte Aufzeigen, wo es langgeht. Sicherlich geht es auch darum, aber das ist nicht die eigentliche Idee hinter einer gemeinsamen Wertebasis. Vielmehr ist es die solidarische Übereinkunft und Verständigung, die freilich auch Abweichler verpflichtet. Ein bevormundender Tenor stößt aber auf Skepsis und fördert so kaum die Solidarisierung von Zuwanderern. „Losung“, „Wahlruf“, „Wertekonsens“ (mein Favorit) oder eine ähnliche Alternative scheint mir der richtige Begriff zu sein. Dies impliziert eine Marschrichtung, die es sich gemeinsam einzuschlagen lohnt.

Per se problematisch ist die Auffüllung der Leitkultur mit christlich-abendländischen Werten, was diese auch immer konkret sein mögen. Das Christentum ist nicht allein im Staate, Punktum. Mögen die Werte noch so hehr sein, so ist es nun einmal nicht aussichtsreich, alle Nicht-Christen damit anzusprechen. Zudem wird hierbei Kultur auch als Lebensstil interpretiert, was zu weit greift. Nicht erst wenn jemand fröhlich Weihnachtslieder mitsingt und sich dem Glühwein hingibt, also hier heimische Rituale und altägliche Gewohnheiten übernimmt, ist er/sie integriert. So gesehen ist der Begriff Leitkultur auch irreführend, weil unter Kultur auch das darunter fällt.

Werte der Aufklärung sind da schon viel besser und auch die geeigneteste Ebene wie mir scheint, da diese europaweit einheitlich vertreten werden können und direkte Bezüge zur UN-Charta aufweisen. Mit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die universelle und überkulturelle Werte sind, sollte Integration gelingen. Es reicht aber nicht, auf die Leuchtkraft dieser Werte allein zu vertrauen, sie müssen sich aus einem für alle überzeugendem Zusammenhang speisen. Typischerweise ist es die französische Revolution, die dank ihrer epochalen Bedeutung bis heute eine geradezu mythische Ausstrahlwirkung hat. Hier ist sicher auch eine wichtige Kompatibilität zu Revolutionen aus außereuropäischen Regionen gegeben (evtl. Arabellion ?), da Schicksalsparallelen den Gemeinsinn stärken. Wie genau hier der gemeinsame Mythos zu stricken wäre, steht freilich auf einem anderen Blatt Papier. Metaphern wie „Abschütteln der Fesseln der Unfreiheit“ dürften die Richtung weisen.

Vom Prinzip her basiert das Grundgesetz (GG) auf den Werten der Aufklärung. Leider taugt weder es als solches noch die darin verbriefte freiheitlich-demokratische Grundordnung unmittelbar als Aushänge­schild für gemeinsame Werte. Jeweils handelt es sich letztlich um trockene Termini der Rechtssprache. Würde, Freiheit, sozialer Zusammenhalt o. ä., die die Kernwerte des GG ausmachen, sind sicherlich überzeugendere Begriffe, die zudem als Slogan taugen. Diese Kernwerte bedürfen auch eines „mythischen“ Kontexts. Die letztlich auf Kriegen beruhende Reichsgründung von 1871 samt der Vorgeschehnisse ist da unpassend, weil das integrative Moment fragwürdig ist. Stattdessen drängt sich nahe liegend die Gründung der BRD auf. Der Mythos ist hierbei die Auferstehung West-Deutschlands unter der Maxime der höchsten Wertschätzung für jeden Menschen im scharfen Kontrast zur Schreckensherrschaft in der Nazi-Zeit. Hierin steckt viel motivationaler Gehalt, der Zuwanderer aber auch Einheimische viel eher für die Werte gewinnen kann, anstatt dass diese ihnen kategorisch und nüchtern abverlangt werden.

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